Indonesien

Java und Bali 2016

Schon draußen am Flughafen in Jakarta fiel mir auf: Indonesien riecht anders als andere Länder. Elke hatte mir das schon angekündet, sie ist schon zum vierten Mal in Indonesien. Irgendwie hat Südostasien meist so einen ganz typischen Geruch, aber hier roch es süßlicher als anderswo. Lieblicher. Hauptsächlich liegt das wohl an den Nelkenzigaretten, welche die Indonesier gerne rauchen. Und an den Frangipani und Yasmin Blüten, die ihren Duft verströmen. Indonesien ist das neunte Land in dem Elke und ich gemeinsam sind. Unglaublich. Mark Twain sagte mal ‚Es gibt kein sichereres Mittel festzustellen, ob man einen Menschen mag oder nicht, als mit ihm auf Reisen zu gehen.‘ Stimmt. In guter Gesellschaft ist keine Straße lang.

Da uns Jakarta als Moloch angekündigt wurde und dort am Tag unserer Ankunft leider ein Anschlag verübt wurde, suchten wir schnell das Weite und flogen nach Zentraljava. Die Universitätsstadt Yogyakarta, kurz Yogya, gilt als Künstlerstadt inklusive Palast und Fahrradrikschas, die sich durch den Straßenverkehr schlängeln. Java und Bali sind berühmt für ihre farbenfrohen Batik- und Ikatstoffe, die man überall findet, und Yogyakarta hat eine schöne Markthalle, in der man durch schier endlose Gänge mit Stoffen geht. Was man bei 35 Grad und 90% Luftfeuchtigkeit allerdings nur kurz aushält. Trotzdem: ein Paradies für Stoffliebhaber. Yogya liegt in der Nähe von zwei Hauptattraktionen Javas: den Tempeln Borobudur und Prambanan. Zum Borobudur brachen wir morgens um 6.00 auf. Von oben betrachtet sieht der Borobudur wie ein riesiges Mandala aus. Der größte buddhistische Tempelkomplex der Welt ist atemberaubend, eine kolossale Pyramide aus dem 8. Jhdt. und unser Guide Roberto, ein Javaner mit kolonialem Vornamen, erklärte uns die zahlreichen Reliefs, die Alltägliches sowie das Leben Buddhas darstellen und die verschiedenen Ebenen des Tempels, die in den Himmel führen. Über 400 steinerne Buddhas blicken vom Borobudur herab. Am Ende der Tour, fragte uns Roberto, der schon oft in Deutschland war, ob seine Tochter sicher wäre, wenn sie nach Deutschland fahren würde. Er war wegen der Presseberichte besorgt. Wir versicherten ihm, dass seine Tochter getrost nach Deutschland fahren könne.

In Indonesien ist momentan Regenzeit (Oktober-April). Das hat Vor- und Nachteile. Der Nachteil liegt auf der Hand, fast täglich öffnet der Himmel mal in vollen Zügen seine Schleusen und es ist heiß und schwül. Der Vorteil ist, dass sehr wenige Touristen da sind. Auf dem Borobudur waren wir jedenfalls die einzigen und da zahlreiche Schulklassen ebenfalls den Borobudur besichtigten, wurden wir alle paar Meter um ein Foto gebeten. Wir fühlten uns fast wie die Beckhams! Als vergleichsweise großgewachsene Hellhäute, waren wir ein beliebtes Motiv. Überall hieß es „Miss, Foto please“. Wir erfüllten das gerne und so waren wir ständig umringt von Kindern die mit uns Fotos machten. Wir lächelten an die hundertmal in Handykameras und versuchten dabei möglichst wenig verschwitzt auszusehen.IMG_7788

Das gleiche erlebten wir bei einer Tagestour in die Berge, zum Dieng Plateau, wo wir mit ganzen Familien abgelichtet wurden und vermutlich in einigen Fotoalben verewigt sind. Das Dieng Plateau erreicht man über zahlreiche Serpentinen, die durch wunderschön terrassierte Gemüse- und Reisfelder führen, vorbei an zahlreichen Moscheen. Der Anblick von Moscheen neben Reisfeldern war ungewohnt. Indonesien mit seinen 17.000 Inseln ist das größte muslimische Land der Welt und Java ist mit 140 Millionen Bewohnern die einwohnerreichste Insel der Welt. Das merkten wir auch in unserem wunderschönen Hotel: um uns riefen dutzende Muezzine fünfmal am Tag zum Gebet. Nachts um 4.30 hatte der Singsang von soviel Gläubigen etwas Mystisches. Um 6.00 hingegen waren die Geräusche anderer Art, da gab es auf dem Parkplatz nebenan vorm Supermarkt Aerobic. Frühsport sieht man in Südostasien ganz häufig. Ich habe es auf Bali ein paar Mal morgens um 7.30 mit Joggen versucht und bereits nach wenigen Minuten bekam der Begriff schweißgebadet eine ganz neue Bedeutung.

Zurück zum Dieng Plateau, welches eine alte Tempelanlage, einen Vulkansee, einige rauchende Krater und beeindruckend blubbernde Schlammlöcher, deren Schwefelgeruch einem nahezu den Atem verschlagen, umfasst. Auch für Unterhaltung war gesorgt: Sonntags ein beliebtes Ausflugsziel für die Einheimischen, fand man hier neben Bands und Essensständen auch Greifvögel und Ponys, mit denen man sich fotografieren lassen konnte und sogar als Teletubbies und Micky Maus verkleidete Menschen. Entertainment auf indonesische Art. Und wir in unseren fotogenen Regenjacken wurden an die Hände genommen und diesmal mit ganzen Familien fotografiert. Unser nächstes Ziel war Prambanan: 850 errichtet und die größte hinduistische Tempelanlage Indonesiens. Prambanan sieht imposant aus, acht hohe und spitze Steinschreine umgeben von 250 kleinen Schreinen – mein neuer Lieblingstempel! Hier war fast niemand außer uns und als wir gingen, drehte ich mich noch ein paar mal um, so schön war der Anblick. IMG_7782

Nach sechs Tagen in Yogyakarta ging es weiter auf die Nachbarinsel Bali mit 4 Mio Einwohnern und fast ebenso vielen Touristen pro Jahr. Hier stellten wir unsere Uhr nochmal eine Stunde vor – Indonesien erstreckt sich über immerhin drei Zeitzonen.

Von der Inselhauptstadt Denpasar fuhren wir nach Ubud, welches als kulturelles Zentrum Balis gilt. Elke hatte mir schon oft von Ubud vorgeschwärmt. Das verstand ich, als wir mit dem Auto ankamen, nicht sofort. Erstmal stand ich ob der vielen Straßen mit endlosen Geschäften unter Schock. Ein touristischer Hotspot – daran musste ich mich gewöhnen. Aber unser Hotel Tegal Sari, lag am Stadtrand, gleich neben einem Reisfeld, tagsüber schnatterten die Enten, die zwecks der Düngung dort gehalten wurden und nachts quakten laut die Frösche. Ganz Ubud ist von Reisfeldern umgeben und in vielen Lokalen blickt man direkt auf die Felder, Palmen oder Lotusteiche. Ubud, was ‚Medizin‘ bedeutet, hat etwas sehr ungewöhnliches geschafft, wie nahezu ganz Bali. Trotz der Touristen, die seit Jahren zahlreich kommen, bestehen die balinesischen Traditionen fort.

Das war schnell sichtbar: Frauen und Männer in schönen Sarongs (Wickelröcke), Frauen die ihre Einkäufe auf dem Kopf durch die Straßen tragen und überall sieht man Tempelschirme sowie Opfergaben, die mehrmals täglich gemacht werden. Neben den Opfergaben für die Götter sind auf jeder Straße kleine Blütenschalen vor den Häusern. Für die Dämonen. Aber dazu später. Häufig sieht man wie Frauen diese Opferschälchen aus Palmblättern basteln, ihre Hände scheinen ständig mit etwas beschäftigt zu sein.

Auf Bali überlebte der weltweit einzigartige Hindu-Dharma-Glaube. 90% der Balinesen gehören diesem Glauben an. Eine Enklave im muslimischen Insel-Archipel. Bali wird ‚Die Insel der tausend Tempel‘ genannt. Tatsächlich sollen es 20.000 sein. Auch als ‚Insel der Götter‘ wird die Insel bezeichnet. Die Religion bildet hier die Basis der Gesellschaft, ist omnipräsent und prägt die kulturelle Identität der Balinesen. Ohne sie kann man Bali nicht beschreiben. Jedes Lokal, jeder Laden, jedes Haus hat einen Schrein an der Wand, meist mit dem mir sympathischen Ganesha, dem Herrn der Hindernisse und Glücksbringer, mit kugelrundem Bauch und Elefantenkopf. Sein ursprünglich menschlicher Kopf wurde ihm von Shiva abgeschlagen. Als der deswegen Ärger mit seiner Frau Parvati bekam, setze er den Kopf eines Elefanten auf Ganesha und erweckte ihn so wieder zum Leben. Neben der Götter-Trinität Brahma, Vishnu und Shiva (Schöpfer-Bewahrer-Zerstörer) gibt es wie in Indien zahlreiche Götter.IMG_8025

Zugleich sind die Balinesen animistisch. Alles ist beseelt. Die Tempel sind einzigartig, keine begehbaren, pompösen Gebäude, sondern mit einer Mauer umfasste Plätze, teils mit mehreren Höfen und mit mehreren Schreinen und Merus, hölzernen Pagoden mit Palmfaserbedeckten Dächern, die den Weltenberg Meru symbolisieren. Jedes Dorf hat mindestens drei Tempel und fast jedes Haus einen Familientempel. Es gibt zahlreiche Zeremonien, von denen wir viele beobachten durften. Jedes Dorf hat außerdem einen Versammlungsplatz an dem die Männer gemeinsam diskutieren und Entscheidungen für das Dorf treffen.

Trotz des anfänglichen Eindrucks schloss ich Ubud schnell in mein Herz. Die liebenswerten Balinesen sowieso. Da die Stadt zentral liegt und Bali überschaubar ist, erreicht man von dort binnen kurzer Zeit die schönsten Flecken der Insel. Ein Höhepunkt war unsere Tour zum Gunung Batur, dem zweithöchsten Vulkan Balis. Nebenbei auch der aktivste. Nachts um 3.00 Uhr ging es los und nach einer Stunde Fahrt bestiegen wir mit unserem Guide und mit Taschenlampen bewaffnet den Vulkan. Ich war ganz froh, dass unser Guide Nyoman uns an den schwierigsten Felsstufen ab und zu die Hand reichte. Nach zwei Stunden Aufstieg erreichten wir klatschnass aber fröhlich den Gipfel und warteten mit Blick auf den Batursee, den Vulkan Gunung Agung und die Nachbarinsel Lombok auf den Sonnenaufgang. Noch war Vollmond. Der Gunung Agung ist für die Balinesen übrigens das Zentrum des Universums. Mit uns warteten ein paar freche Affen, die uns das Frühstück streitig machen wollten und einige andere Vulkanerklimmer. Im Westen donnerte und blitzte es, aber wir hatten Glück und klare Sicht. Und dann kam sie, die Sonne. Neben uns saßen ein paar Inder und als die Sonne neben dem Gunung Agung aufging, fingen sie plötzlich an zu singen. Ein Mantra, wie uns Nyoman erklärte. Und die balinesischen und indischen Hindus schüttelten sich die Hände. Der Sonnenaufgang und der Gesang waren so schön und besonders, dass Elke und ich ein bißchen geweint haben. Ein ganz wunderbares Erlebnis war das! Inklusive sagenhaftem Ausblick.IMG_8064

Nach weiteren Blicken in den Krater und vorsichtigen Blicken auf die vielen Affen ging es wieder bergab und anschließend zur Erholung auf eine organic Farm, wo wir mit Reisterrassen-Panorama die verschieden Kaffeesorten testeten. Kaffee, Kakao und Gewürze sind balinesische Exportschlager. Wir probierten auch den teuersten Kaffee der Welt, Kopi Luwak oder ‚Katzenkaffee‘, der von Fleckenmusangs verdaut und anschließend geröstet wird. Für viele eine Delikatesse. Kann man machen, muss man aber nicht. Ich war gespannt, wie es sein würde während der Regenzeit zu reisen. Vorsichtshalber hatte ich neben unserem üblichen Kniffel mehrere Reisespiele eingepackt. Ich muss jedoch sagen, ich mag die Regenzeit sehr. Man ist zwar schnell bis auf die Haut durchnässt, aber das ist man bei der Hitze meist auch ohne Regen. Einige Inseln, wie Flores oder die Komodo Inseln, mit den großen Waranen, schieden für uns zwar dadurch aus, die Wege sind bei Regen dort nahezu unpassierbar, aber das machte nichts.

Während ich gerade den ersten Teil dieses Reiseberichts schreibe, schüttet es, aber unsere Terrasse am Meer ist zum Glück überdacht. Vor mir hängen pinke Drachenfrüchte am Baum. Der Saft der Früchte schmeckt sehr gut und man bekommt eine pinke Zunge davon. Alles blüht und Bali leuchtet satt und saftig in allen Grüntönen die es gibt. Auch in Ubud ließ es sich trotz manch tropischen Regengusses fabelhaft aushalten. Es gibt viele schöne Cafés, einige Museen und zig Restaurants, in die man sich flüchten kann – die Straßen werden schnell zu Bächen und mit Flipflops schwer begehbar. Die Gehsteige sind wegen der Regenfälle besonders hoch und man muss auf der Hut sein, nicht in eines der vielen Löcher darin zu stolpern. Besonders gut hat mir das Café Wayan gefallen, Elkes Lieblingscafé. Da kann man auf den Sitzkissen im Pavillon mit einem Avocadosaft gut verweilen, bis der Regen wieder aufhört. Und der ‚Death by Chocolate Cake‘ ist weit über die Grenzen Balis bekannt, Elke erzählt mir seit Jahren von diesem Kuchen und ja, er schmeckt wie er heißt. Überhaupt ist das Essen in Indonesien hervorragend, egal ob im Restaurant oder im kleinsten Warung (Imbiss). In einem Dorf in der Nähe von Ubud nahmen wir einen Tag an einem Kochkurs teil. Die reizende Puspa brachte uns und ein paar anderen Teilnehmern aus aller Welt bei sich zu Hause balinesische Gerichte wie Satay, Gado Gado, Erdnusssauce und vieles mehr bei. IMG_8006Unter anderem, dass man immer einen Löffel mehr dazu gibt, als im Rezept steht. For good luck. Glück ist immer wichtig in Asien. Ihr Mann Wayan machte ein bisschen Musik und erklärte uns, wie ein balinesisches Haus aufgebaut ist. Hinter fast jedem Haus- oder Tempel Eingang ist eine kleine Stellwand aufgebaut. Für bzw. gegen die bösen Geister, denn die können nur geradeaus und nicht um die Ecke gehen. In der Regel gibt es ein kleines Haus für das Familienoberhaupt und weitere für andere Familienmitglieder. Wird ein Kind geboren, wird vor dem Haus des Familienoberhauptes die Plazenta vergraben und mit einem schwarzen Stein gekennzeichnet. Kinder sind das Wichtigste und werden von allen geherzt und geliebt. Ein Familientempel für die Götter und Ahnen ist zwingend und ein Kommunikationspavillon, in dem Probleme gelöst werden oder man einfach nett plaudert. Dort redet Wayan auch mit seiner Frau Puspa, wenn es mal Ärger gibt. Da Wayan uns aber mehrfach den Rat ‚Happy wife, happy life‘ gab, haben die zwei offenbar ein zufriedenes Leben. Und dank Kochkursen zum Glück ein finanziell sorgenfreies. Wir waren in viel ärmeren Ländern, Java und Bali geht es im Vergleich recht gut, aber natürlich sieht man auch hier Armut.

Der Name Wayan begegnete uns noch häufig. Einige unserer Guides und Fahrer hießen ebenfalls Wayan. Auf Bali scheint die Namensgebung einfach. Es gibt nur ein paar Vornamen: für die Erstgeborenen z.B. Wayan, Gede, Putu und weitere für die zweiten und dritten Kinder. Das vierte Kind heißt immer Ketut (Nachfolger). Beim fünften geht es wieder von vorne los. Und es gibt weibliche und männliche Vorsilben: einer unserer Lieblingsfahrer hieß I Wayan und seine Frau und die Tochter Ni Wayan. Also leicht zu merken. Ubud, viele Jahre ein Hippie-Ziel, ist auch ein Mekka für Yoga- und Spa Liebhaber. Die Prinzessinenmassage ‚Mandi Lulur‘ im Kayma Spa kann ich jedem, ob Prinz oder Prinzessin, nur wärmstens empfehlen! Einst erhielten diese Behandlung Prinzessinen am Vorabend ihrer Hochzeit. Nach ausgiebiger Massage und Peeling wird man in ein Blütenbad gesteckt und fühlt sich wahrhaft geborgen und prinzessinengleich. Die balinesischen Massagen sind, finde ich, die besten Südostasiens. Neben Kulinarik und Wellness ist die Kunst sehr präsent. Das ARMA und das  Puri Lukisan Museum gefielen mir am Besten. In und um Ubud sind enorm viele Künstler. Fährt man aus Ubud Richtung Norden kommt man durch Malerdörfer mit zahlreichen Galerien sowie durch das Silberdorf Celuk, welches wir um ein paar Schmuckstücke erleichterten. Holzschnitzereien oder Steinmetze gibt es an jedem Straßenrand. In einem Holzschnitzer Dorf fielen mir das erste Mal die vielen Hähne in Bambuskäfigen auf. Fast jedes Haus hat mehrere und die Hähne werden von den Männern trainiert und das Gefieder ‚frisiert‘. Der Hahnenkampf ist leider ein altes und sehr beliebtes Hobby auf Bali. Ein ziemlich brutaler Zeitvertreib, der eigentlich nur noch bei Tempelfesten erlaubt ist, woran sich allerdings niemand hält.

Ein bekannter Einwohner Ubuds war der deutsche Maler Walter Spies, der die balinesische Kunst stark beeinflusst hat und die Gamelan-Musik erforschte. Gamelan-Musik ist allgegenwärtig, bei Zeremonien, Festen, in Cafés wie im Taxi. Ein Gamelan Orchester hat bis zu 52 Instrumente, die fast alle mit Schlegeln gespielt werden: Gongs, Xylophone, Metallophone, Trommeln, hinzukommen Zittern, Flöten und Gesang. Da ist was geboten, wenn die loslegen! Jeder lernt Gamelan. Als ich meinen Lieblingsfahrer Putu mal fragte, ob er Gamelan-Musik beherrsche, meinte er ‚of course! We have to keep our culture‘. Meine Frage war auch blöd, jedes Kind auf Bali lernt ein Instrument und tanzen. Tänze und Musik sind obligatorisch bei jedem Tempelfest, angeblich gibt es 5000 Tanz- und Gamelan Ensembles und in den Dörfern sieht man oft deren Plakate. Die balinesischen Tänze sind berühmt, jede Bewegung sitzt perfekt und es gibt Tänze zu jedem Anlass. Als wir im bekannten Café Lotus abends vor namensgebenden Lotusteich und Tempelkulisse beim Tanz zusehen wollten machte uns der Regen einen Strich durch die Rechnung.

Nach einer Woche Ubud, Besuchen im Elefantentempel Goa Gajah (bei dem man durch einen riesigen steinernen Schlund eines Dämons eine Höhle betreten kann), den Tegalalang Reisterrassen, Wasserfall und mehr fuhren wir an die Ostküste, nach Candidasa, ein weiterer Schwerpunkt unserer Tour. Nicht zuletzt weil dort Elkes ehemaliger Arbeitskollege und Freund Max wohnt. Max hat sich als Tauchlehrer auf Bali sesshaft gemacht. Im Gegensatz zum sehr touristischem Süden ist die Ostküste ruhig und gemütlich, das Hinterland echtes Bali. Bali hat keine Traumstrände, aber das braucht die Insel auch nicht. In der Nähe von Candidasa liegen zwei Bergdörfer, die von Nachkommen der Ureinwohner Balis, den Bali Aga bewohnt sind, die ihre ganz eigene prä-hinduistische Kultur pflegen. Weiter nördlich an der Küste liegt die Stadt Amlapura mit wuseligem Markt und einige Orte, die sich bei Tauchern grosser Beliebtheit erfreuen. Unter anderem gibt es ein tolles Wrack dort. In Candidasa selbst gibt es neben Tempeln und Fischmarkt ein paar schöne Lokale mit feinster Livemusik. Jazz ist auf Java und Bali weit verbreitet. Max erzählte uns vom Leben auf Bali und organisierte eine Tauchtour für mich, von der ich schon immer geträumt hatte. Bei der Insel Nusa Penida eine Bootsstunde vor Candidasa gelegen leben Mantarochen! Die Insel ist trotz schöner Strände und beeindruckenden Steilklippen kaum bewohnt. Es war eine ehemalige Sträflingsinsel und angeblich lebt dort der Riese Jero Gede Mecaling, Balis größter Kinderschreck.

Vorm sogenannten Manta Point war starker Seegang und so war die Hälfte meiner Tauchgruppe (inklusive mir) ziemlich seekrank. Aber das war es wert. Beim zweiten Tauchgang tauchte ein großer Mantarochen auf. Majestätisch dahingleitend mit aufgerissenem Maul. Und dann noch einer und noch einer. Einer schwebte direkt über mir mit seinem weißen Bauch. Sehr sehr schön war das, ein unvergesslicher Moment mit diesen schönen und eleganten Tieren. Wenngleich uns bei der Rückfahrt wieder schlecht war: wir waren alle glücklich und um das noch zu steigern, sprangen ein paar Delfine aus dem Wasser.

Von der Ostküste fuhren wir gen Süden, touristische Hochburgen wie Kuta liessen wir links liegen und fuhren nach Canggu wo wir im Red Salt in einer schönen Hütte idyllisch im Reisfeld wohnten. Zugegeben nicht ganz angstfrei vor Ratten. Dahinter lag der lavageschwärzte Strand. Von hier konnte man die Wassertempel Ulu Watu und Tanah Lot gut besuchen. Am Pura (= Tempel) Ulu Watu sahen wir neben großartigen Klippen, auf die der Wassertempel gebaut ist, einigen Affen zu, die den Besuchern recht agressiv ihre Brillen und Wasserflaschen klauten. Wie die Kühe sind die Affen auf Bali heilig, Brahma hatte ein Heer von Affensoldaten. In Denpasar sieht man ein riesiges Denkmal, welches Brahma samt Affenheer darstellt. Im Monkeyforrest in Ubud oder im märchenhaften Affenwald Sangeh sollte man sich vor den zutraulichen Affen tunlichst in Acht nehmen. Erbeutetes Diebesgut geben sie, wenn überhaupt, nur zähnefletschend zurück. Wir hielten uns fern und blieben verschont. Ubud gefiel uns so gut, das wir nochmal für ein paar Tage hinfuhren. Auf dem Weg besichtigten wir die Reisterrassen in Jatiluwih. Zurecht Unesco Welterbe. Jatiluwih bedeutet ‚wirklich wunderbar‘ und das sind diese endlosen Reisterrassen in der hügeligen Landschaft tatsächlich! Schönere sah ich bisher in keinem anderen Land. Zurück in unserem Hotel wurden wir freudig begrüßt und fühlten und schon fast wie daheim. Unser Fahrer Putu brachte uns von Ubud zu den Tempeln Gunung Kawi und Pura Tirta Empul. Letzterer ist einer der heiligsten Tempel Balis. Zu dem Quelltempel kommen seit über tausend Jahren Gläubige um sich in den Becken an den zahlreichen Fontainen zu reinigen oder von Krankheiten zu heilen. Jeder Strahl hat eine andere Wirkung. Ein paar wenige Touristen gingen ebenfalls in die Becken, was ich befremdlich fand.

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Der Felsentempel Gunung Kawi liegt in einem Tal aus Reisterrassen an einem kleinen Fluss. Der Legende nach soll ein Riese mit seinem Fingernagel Gestein aus den sieben Meter hohen Grabmälern gekratzt haben. Mir hat Gunung Kawi mit am Besten gefallen- die Lage ist einmalig und auch hier waren kaum Touristen. Putu stellte uns viele Fragen über Deutschland und wir ihm über sein Land. Er lebt mit seiner 21köpfigen Familie in der Nähe von Ubud und brachte uns auch zum Muttertempel der Balinesen: dem Pura Besakih. Ebenfalls über 1000 Jahre alt besteht der größte Tempel Balis aus 200 Gebäuden. Uns zeigte sich dieser Tempel wolkenverhangen wieder mit dem Vulkan Gunung Agung im Hintergrund, samt einem Gamelanorchester in einem der Nebentempel und betenden Hindus.

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Die betenden Menschen in den zahlreichen Tempeln haben mein Bild von Bali sehr geprägt. Beim großen Ausbruch des Gunung Agung 1963 blieb der Muttertempel wie durch ein Wunder verschont. Als wir dort waren war Feiertag, einer der vielen auf Bali und von dort brachte uns Putu wieder nach Candidasa, wo wir nach vielen Touren, die letzte Etappe der Reise verbringen und Max wieder treffen wollten. Spätnachmittags am Strand angekommen waren lauter Kinder im Wasser. Was gefeiert wurde, verstanden wir leider nicht. Der 210 tägige balinesische Kalender, der sich nach dem Mond richtet, ist kompliziert. Der erste Geburtstag eines Babys wird nach 210 Tagen groß gefeiert. Erst dann darf das Kind den Boden berühren, vorher wird es getragen.

Faszinierend finde ich das balinesische Neujahrsfest Nyepi, den ‚Tag der Stille‘. An diesem Tag steht 24 Stunden alles still, auch der Flughafen. Die Balinesen bleiben zuhause, die Strassen leer, alles bleibt dunkel, nur Hotelgäste dürfen abends bei geschlossenem Vorhang Licht machen. Der Tag gilt der Reinigung fürs neue Jahr. Einer Legende nach fliegen an Nyepi Dämonen über Bali und so tun die Balinesen so, als ob die Insel unbewohnt und völlig uninteressant zum Landen sei. Wo Götter, da auch böse Geister. Überall auf Bali sieht man Steinfiguren und Schreine, die mit schwarz-weiß karierten Stoffen umwickelt sind, was gut und böse symbolisiert. Bali hat eine faszinierende Kultur und die Balinesen sind einfach unglaublich freundlich und herzlich. Die Javaner übrigens genauso. Ich kann verstehen, dass viele immer wieder hierher kommen. Oder bleiben, wie Max.

Unsere vielen Touren durch Bali waren ein großes Glück. Durch die Dörfer und Reisfelder zu fahren, immer gab es was zu gucken, Kinder die in ihren Schuluniformen aus der Schule kamen, die Mädchen alle mit geflochtenen Zöpfen und bunten Haarbändern, Jungs, die Fußball spielten, die Reisbauern mit ihren konischen Hüten, die vielen Geschäfte mit gelben, roten und weißen Tempelschirmen und balinesischen Devotionalien, die Zeremonien am Straßenrand. Und natürlich die schönen Märkte! Ubud hat morgens auch einen ganz typischen Markt, die Markthalle verwandelt sich erst ab 10.00 Uhr in einen Touristenmarkt mit Sarongs und allerhand Zeug. Mein Lieblingsmarkt aber war der in Sukawati und Klungkung. Einen Sarong kauft man sich ohnehin, ohne den darf man keinen Tempel betreten. Die Balinesen tragen im Alltag noch sehr viel die traditionelle Kleidung, also einen Sarong und die Männer tragen dazu oft einen Udeng, einen geknoteten Stoffwickel, um die Stirn und bei Festen werden die Festtagsarongs getragen. Hübsch sieht das aus.

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Am Tag unserer Abreise haben wir noch das Glück Galungan miterleben zu dürfen. Den Tag der Schöpfung der Welt. Wir sind gespannt! Alle basteln schon fleissig an den Bambusstangen, mit denen die Straßen ganz Balis geschmückt werden. Ab 9.00 Uhr morgens gibt es Prozessionen und Tempelfeste und die Festzeit wird nach 10 Tagen mit einem weiteren Fest beendet.

Elke macht mich gerade darauf aufmerksam, dass eine wichtige Geschichte fehlt. Stimmt, das war Absicht, aber ich erzähle sie gerne. In meinen Reiseführern las ich von einem ganz bekannten, angeblich seriösem Medizinmann, zu dem Balinesen, Leute aus aller Welt sowie Schulmediziner gehen. Ich las das mit grosser Skepsis, ist Bali spätestens seit dem Film Eat, Pray, Love auch ein Mekka für Sinnsucher. Und wo Sinnsucher da auch Geschäftemacher. Max erzählte uns von eigenartigen Gong-Therapien, mit denen viel Geld verdient wird. Überhaupt nicht mein Ding, aber in diesem Fall war ich neugierig und als es mal einen ganzen Tag durchregnete siegte die Neugier und ich schnappte mir spontan ein Taxi. Natürlich kannte der Fahrer Tjokorda Gde Rai, der in einem Dorf nahe Ubud wohnt. Er ging selbst regelmäßig zu ihm. Jedes balinesische Dorf hat noch einen Medizinmann. Vor mir warteten schon ein paar Leute auf den fast 80jährigen, der gerade vom Mittagessen kam. Er war drahtig und hatte scharf geschnittene Gesichtszüge. Obwohl offiziell abgeschafft, hat Bali inoffiziell wie Indien ein Kastensystem. Allerdings abgeschwächt, mit nur vier Kasten und viel weniger streng – es werden kaum noch Unterschiede gemacht. 95% gehören der vierten Kaste an. Tjokorda ist ein Name der zweiten, aristokratischen Kaste, er solle ein Enkel des letzten Königs von Ubud sein wurde berichtet und er empfängt seine Gäste daheim, ohne Termin und diagnostiziert vor allen Anwesenden. Kostenfrei. Wenn man will, kann man etwas spenden. Vor mir war ein junger Mann dran, Tjokorda war nach ausgiebiger Untersuchung besorgt, weil Körper und Geist des jungen Mannes so gar nicht im Einklang waren. Er zweifle zu viel. Der junge Mann nickte zustimmend und nachdem Tjokorda ihm leise ein paar Ratschläge erteilt hatte wurde er entlassen. Nun war ich dran. Der alte Mann lächelte mich an, fragte woher ich sei und weshalb ich zu ihm käme. Aus Neugier. Er tastete ausgiebig meinen Kopf ab, fasste mir sogar gründlich in die Ohren und an einigen schmerzhaften Stellen an Schultern und Armen war ich doch leicht beunruhigt. Er lachte, meinte ‚Nothing serious‘ und fragte wieder weshalb ich hier sei. ‚Why are you here? You have no problems. You are a happy and balanced person.‘ Stimmt.  Die einzigen Probleme die ich hätte seien zu niedrige Hormone wegen der Schilddrüse, ‚low blood‘ sowie zu niedriger Blutdruck. Das war mir bekannt. Dann nahm er einen spitzen Holzstab und untersuchte an zwei Zehen die Punkte für die Organe ab, die er dabei benannte. Ich solle Omega 3 und Zuckerrübenbrei zu mir nehmen. Wir wünschten uns gegenseitig viel Glück, Tjokorda ruhte sich kurz auf seinem alten Stuhl aus bevor der nächste dran war und schon fuhr ich wieder nach Ubud. Es regnete immer noch und so wurde der Rest des Tages Museumstag. Klingt abgefahren? War es auch. Und es war eines der vielen Erlebnisse dieser Reise, die ich nicht missen möchte.

Das was wir von Indonesien sehen durften war wunderschön. Ausser dem Flug nach Jakarta hatten wir kaum etwas geplant und  da wir uns letztlich nur auf zwei Inseln konzentriert haben und vier Wochen Zeit hatten, war es eine sehr entspannte Reise. Und eine privilegierte: Java und Bali machen einem das Reisen wirklich leicht. Elke hat wie immer die besten Unterkünfte organisiert, hat wie immer jedes Kniffelspiel auf der Reise gewonnen und wie immer sind wir ein prima Team. Danke Dir sehr dafür liebe Elke!
‚I haven’t been everywhere, but it’s on my list‘ (Susan Sontag). Bin gespannt, welches unser nächstes Reiseziel wird.

Während ich die letzten Zeilen schreibe ruft ein Gecko auf unserer Terrasse. Sieben Rufe sollen Glück bringen. Gestern Nacht bebte es kurz – wir sind eben auf einer Vulkaninsel. Außerdem war gestern das chinesische Neujahrsfest: wir stoßen jetzt mal mit einem Ananas-Smoothie auf Euer Wohl an.Ich kann nicht beschreiben, was mich an Asien so fasziniert. Die Menschen, die Kulturen, die Landschaften, die Religionen, die Gerüche und Farben? Wahrscheinlich alles zusammen. Asien berührt mich einfach sehr und ich hoffe, noch ganz oft wieder zu kommen.